Otto Lukat - Ein Porträt
Uelzen als Aufgabe und Herausforderung
von Eckhard Lange
Der Mann ist unübersehbar. Ein echtes Mannsbild, wie man es nicht nur in Bayern bewundert. Und doch, wenn Otto Lukat einem am Tisch zum Gespräch gegenübersitzt, spürt man die Vibration eines Sensiblen. Nichts von einem Haudrauf, sondern eher der intellektuelle Gegenpol: wachsame Augen, ein mienenstarkes Gesicht, gestikulationsfähige Hände. Leute, die ihn kennen, sagen ihm außer der schnellen Auffassung ein phänomenales Gedächtnis nach. Und eine Portion Ungeduld - die er selbst beklagt.
Otto Lukat ist Hanseat. Geboren ist er 1947 im damals noch ländlichen Hamburger Ortsteil Langenbek. Er erinnert sich gut an die Trümmer der nahen Stadt und die notdürftigen Barackenunterkünfte der Vertriebenen. Sein Vater ist kaufmännischer Angestellter, seine Mutter Hausfrau. Man hat alle Hände voll zu tun, sich durchzubringen. Prägende Gestalt ist der Großvater, ein ungelernter Arbeiter, der es -als Harburg noch zu Preußen gehörte - zum Ortsvorsteher von Langenbek gebracht hat. Als solcher wird er 1933 von den Nazis zwangsenthoben. Er ist nämlich Sozialdemokrat - und das "vererbt" er auf die Nachkommen. An der Seite Herbert Wehners kämpft er in dessen Wahlkreis nach dem Krieg weiter für die Rechte der Arbeiter, wird Aufsichtsratsvorsitzender der Siedlungsbaugenossenschaft, mit der er bis 1954 Häuser baut. Die politischen Verhandlungen und Gespräche finden in der Wohnküche statt. Der kleine Otto sitzt unter dem Tisch und lernt fürs Leben.
Pioniergeist
Auf die Erfahrung der Wohnküche, das preußische Vorbild des Großvaters, führt Otto Lukat vieles zurück, was ihn bis heute in seiner beruflichen und politischen Karriere antreibt. Das alte fritzianische (nicht das wilhelminische) Preußen führt ihm beispielhaft den Gedanken der Pflichterfüllung im Dienst an der Gemeinschaft vor Augen. Und den kann man auch aus kleinen Verhältnissen heraus entwickeln. Vielleicht gerade. Eigentlich sollte damals "seinesgleichen" nicht ins Gymnasium; den Eltern wird abgeraten. Aber so kommt's, daß er dann immer ein bißchen besser als die anderen abschneidet. Und er identifiziert sich mit seinem "Laden", das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, das für "seinesgleichen" als Ableger eines renommierten Hamburger Gymnasiums gegründet wurde und dieses in der allgemeinen Wertschätzung bald überflügelt. Noch öfter im späteren Leben wird er von dieser sportlichen Stimmung getragen. Es ist die Stimmung der Pioniere, die ihn, über alle Bedenkenträgerei hinweg, immer wieder antreibt, sei es als Gründungsvorsitzender der Volkshochschule Stade, sei es jüngst bei der Gründung von "Uelzen-Convalley.de", die bundesweit Aufsehen erregt. So etwas kommt bei Lukat aber nicht aus dem Bauch; es muß vernünftig geplant sein.
Geballter Sachverstand
Einer wie er zieht aus den Lehren der Geschichte Konsequenzen. Früh schon übernimmt er politische Verantwortung, erkennt er in den angeblich "Unpolitischen" die Steigbügelhalter der Reaktion und Verhinderer von Emanzipation. Als Student der Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg engagiert er sich im AStA, wird 1970 Vorsitzender von Studentenparlament und Ältestenrat. Und natürlich stehen ihm die "Achtundsechziger", die mit der Heuchelei in der Vergangenheitsbewältigung und dem Muff im kulturellen Leben aufräumen, näher als die angepassten Bürgersöhne, für die schon die Lektüre des "Spiegel" ein Greuel ist. Willy Brandt und sein Aufruf, "mehr Demokratie zu wagen", läßt ihn in die SPD eintreten - die allerdings schon unterm Küchentisch beim Großvater seine politische Heimat geworden war. Damals ist er dafür geimpft worden, daß Solidarität und soziale Gerechtigkeit nicht bloß Schlagwörter sein müssen. Freilich auch dafür, daß zum Engagement des Herzens Wissen und Erfahrung hinzukommen müssen. Diese zusammen ergeben den Sachverstand, den heute selbst seine politischen Gegner dem Otto Lukat nicht absprechen.
Man muß schon von geballtem Sachverstand sprechen. Dieser spiegelt sich in einem heutzutage fast beispiellos vielseitigen beruflichen Werdegang. Nach kurzer freier Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt wird Lukat noch im Jahr seines 2. Staatsexamens (1975) Dezernent beim damaligen Regierungspräsidenten in Lüneburg, u.a. zuständig für Baurecht, sozialen Wohnungsbau und Wohngeld, für Naturschutzrecht, für das gesamte Zivilrecht inklusive der gerichtlichen Vertretung in Arbeitsrechtssachen. Er ist Forstjustitiar und Verwalter der Liegenschaften. Und er wirkt auch in der Kommunalaufsicht und bei Personalangelegenheiten mit. 1977/1978 wird er in den Landkreis Stade abgeordnet, wo er sich vor allem der Krankenhausreform und der Aufsicht über Deichverbände widmet. Anfang 1978 kommt ein Sonderauftrag des Landwirtschaftsministeriums hinzu: überwiegend eigenständig erarbeitet Lukat die Kabinettsvorlage für das neue Landesnaturschutzgesetz. Noch im selben Jahr wird er Dezernatsleiter Wirtschaft an der selbständigen Regierungsaußenstelle Stade. Er führt fast alle Prozesse um die Stader Industrieansiedlung (DOW-Chemical) und gewinnt sämtliche Verfahren. 1979 holt ihn die Bezirksregierung Lüneburg ins Wirtschaftsdezernat und als Justitiar in die höhere Gewerbeaufsicht. Noch im gleichen Jahr wechselt er als städtischer Oberrat in die Kommunalverwaltung der Stadt Stade. Dort baut er den Bereich Kultur völlig neu auf, begründet u.a. die Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Hamburg, gründet die Vereins-Volkshochschule und führt die Vertragsverhandlungen für das erste Stader Stadthallenprojekt. 1980 schließlich läßt sich Otto Lukat in Uelzen nieder, ist Stadtrat, seit Mitte 1981 städtischer Wahlbeamter, Anwesenheits- und Abwesenheitsvertreter des Hauptverwaltungsbeamten, des Stadtdirektors. Man muß die Aufgabe oder den städtischen Bereich schon suchen, mit dem Lukat seitdem nicht verantwortlich betraut war. Neben den Bereichen Recht, Sicherheit und Ordnung, Schulen, Sport, Jugend, Kultur, Soziales betreut er drei Jahre lang auch noch die Aufgaben eines Finanzdezernenten. Nach der Verwaltungsreform, bekleidete er diese Funktionen als "Erster Stadtrat", neben dem Bürgermeister der "Mann für alles". Er musste also in dieses Amt nicht erst hineinwachsen.
Familienmensch
Fragt sich, wo bei einer solchen Aufgabenfülle und Omni-Kompetenz noch Zeit und Raum für ein Privatleben bleibt. Die Antwort kommt rasch: das sei keine Frage der Quantität, sondern der Intensität. Otto Lukat ist seit 25 Jahren verheiratet mit einer Grundschullehrerin. Er ist, wie er selbst sagt, ein "ausgesprochener Familienmensch", begeisterter, stolzer Vater einer Tochter und zweier Söhne. Zur Familie gehört außerdem Otto Lukats Mutter, die 75-jährig zum Sohn gezogen ist. Ungeschriebenes Gesetz ist, sich nur in Notfällen vom täglichen gemeinsamen Mittagstisch abhalten zu lassen. Dort werden die Probleme des Alltags, der Schule besprochen, die Freizeiten und Urlaube organisiert.
Schon fast mehr als ein Hobby: der Film. Otto Lukat ist Film-, wohlbemerkt nicht Video-Freak. Als Schüler verfilmt er Kafkas Erzählung "Der Nachbar". Wie er im Hindernislauf über die Behörden hinweg endlich am Hamburger Neuen Jungfernstieg zu seiner "Gehwegstandfilmgenehmigung" kam, das erzählt er im Stil einer Valentinade, eines absurden Theaters, das selbst filmreif wäre. Von dieser Liebe hat Uelzen u.a. profitiert durch die Schaffung der "Uelzer Filmtage" und das Schüler- und Jugendfilmfestival, das er mit anderen Gleichgesinnten als niedersächsisches Landesfilmfestival in Uelzen etablierte.
Uelzens Zukunft gestalten
Er hat noch viel vor - für Uelzen. Es ist nicht nur die Verwaltung, die AG "Neue Steuerung" als zentrale Lenkungsgruppe für alle Modernisierungsvorhaben der Stadt Uelzen, die ihn umtreibt. Die Stadt ist ihm ans Herz gewachsen. Sie ist ihm Heimat geworden. Die ehrenamtlichen Tätigkeiten in kulturellen Vereinen - im Vorstand des Kunstvereins etwa oder als Vorsitzender des Museums- und Heimatvereins - zeigen seine Verwurzelung in diesem Boden, die nebenamtlichen Funktionen in Ausschüssen des Niedersächsischen Städtetags, als Dozent für Beamtenanwärter in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, als Autor von Fachliteratur für Disziplinarrecht, die Mitarbeit im Komitee für internationale Partnerschaften zeugen von seiner Weltläufigkeit.
Seit 2001 ist er nun Bürgermeister von Uelzen. Seither hat Otto Lukat sein Ziel Uelzen als "Marke" in der Metropolregion Hamburg zu etablieren beharrlich verfolgt. Hundertwasserbahnhof, Kulturmeile und Grünaue, Reform der Holdenstedter Schloßwochen, Ausbau eines Regionalmuseums, Zukunftswerkstatt "Neue Medien" im Verein mit Radio ZuSa und "Uelzen-Convalley.de", "Erlebnismarkt Innenstadt" als konkurrenzfähiges Zentrum gegenüber der "grünen Wiese" - das alles und noch mehr (z.B. ganz wichtig: die Verbesserung der Schulsituation durch Nachmittagsangebote) wurden angepackt.
Mit einem Stimmanteil von fast 70% haben ihn die Uelzerinnen und Uelzer bei der Kommunalwahl 2006 im Amt bestätigt. Dieser überwältigende Vertrauensbeweis ist ihm Verpflichtung und Herausforderung zugleich. In seiner zweiten Amtsperiode will Otto Lukat nun u. a. die Stadtsanierung vorantreiben. Eine Mischung aus jungem und altersgerechtem Wohnen soll nach seinen Vorstellungen in den Grenzen der Altstadt entstehen, Uelzen durch Ausbau der Kinderbetreuungsangebote noch familienfreundlicher werden.
Nach erfolgreichem Umbau der Stadtverwaltung soll außerdem die kommunale Zusammenarbeit intensiviert und die Kooperationen mit Samtgemeinden und Landkreis ausgebaut werden.
Davon ist er überzeugt. Den Pioniergeist pflegt er seit Kindertagen, Erfahrung und Sachkompetenz kann man ihm weiß Gott nicht absprechen und den nötigen Charakter, das durchzustehen, hat er - bei aller Ungeduld - auch.